Magier auf Klangreise
Ein erstklassiges Duo: Die Saxophonistin und Komponistin Henriette Müller und der Bassist Simon Pauli gastierten in der Wiblinger Versöhnungskirche.
Jazz, Neue Musik oder New Age? Egal. Ein unkonventionelles Konzept, ein unkonventionelles Duo, bei dem die Grenzen der Stilistik ebenso verflossen wie jene zwischen auskomponierter Musik und Improvisation. Mit Klischees kommt man bei der gebürtigen Ulmerin Henriette Müller nicht weit. Wo findet man schon eine Sopran- und Tenorsaxophonistin, die seit ihrem Master-Diplom 1994 an der Manhattan School of Music im Jazz verwurzelt blieb und nicht nur weltweit konzertiert, sonder eine profilierte Komponistin ist, die ganz eigene Wege geht?
Aus ihrer Feder stammen alle Stücke der neuen CD "Silberne Lachtränen", die das Duo aus Berlin auf Konzertreise durch Schwaben vorstellt. Wer allerdings wegen dieses CD-Titels akustische Gags erwartet hatte, der war auf dem Holzweg. Doch wer Klangwelten à la Jan Garbarek oder Michael Riessler liebt, der war bei dem seit langem eingespielten Duo und seinem erstklassigen kammermusikalischen Niveau in der Wiblinger Versöhnungskirche goldrichtig.
In der großzügigen Raumakustik kam die reizvolle Klangpaarung, die im Fortissimo die Scheiben zum Klirren brachte und deren basslastige Resonanzschwingungen sogar körperlich spürbar waren, wunderbar zur Entfaltung.
Hören, entspannen, genießen und innere Ruhe gewinnen bei Titeln wie "The Wheel" oder "Meer-Frieden", das in seinem meditativen Flair auch als "mehr Frieden" lesbar ist. Doch zurücksinken und sich bloß treiben lassen, dafür war diese Musik viel zu spannend: Kein psychedelisch einlullendes Schubidu, sondern eine Ohrenweide, die in "A Little Cuckoo" tangoschwanger ihre charmantesten Seiten zeigte.
Simon Pauli ist ein gefragter Begleiter von Pop-, Jazz- und World-Music- Künstlern, aber er ist keiner, der das Griffbrett rauf- und runtersaust. Pauli ist vielmehr ein cooler, dezenter Könner mit Lust auf raffinierte experimentelle Effekte wie in "Snake Dance", der aber nie seine sensible Klangidentität verliert. Teils dialogisierend, teils kontrastierend in eigenständiger Melodieführung und in fesselnden Soli tummelten sich diese beiden Magier auf ihrer Klangreise. Im jazzig-avantgardistischen, aber tonalen Geflecht vernetzten sie lyrische Gefühlstiefe mit treibenden Rhythmen, zogen ohne Technikprotzerei in zwei Stunden vielapplaudiert bis zur Zugabe "West 25th" als Hommage an New York ein Resümee zeitgemäßer Ausdrucksfähigkeit.