Poesie und Musik bilden eine homogene Einheit - Henriette Müller und Simon Pauli
Im Kirchenmusikprogramm der Pauluskirche Darmstadt finden sich seit Jahren auch Veranstaltungen, die mehr oder weniger deutliche Affinitäten zu Musikstilen aufwiesen, deren Ausdrucksmittel nicht unbedingt in die kirchliche Liturgie weist. Doch setzen Konzerte mit den OrganistInnen Barbara Den- nerlein und Hans-Günther Wauer, mit Günter „Baby“ Sommer, Christoph Dell oder wie Ende Januar dieses Jahres mit Henriette Müller und –Simon Pauli eine Tradition fort, die in den 60ger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann und dem Jazz auch in der Kirche eine gewisses Terrain einräumte. „Snake Dance“ hieß die erste Veranstaltung des diesjährigen Kirchenmusikprogramms der Paulusge- meinde. Das Duo Henriette Müller, Sopransaxophon, und Simon Pauli, Elektrobässe, begab sich auf eine Klangreise, die vom Jazz in die zeitgenössische Musik führte. Textlich war sie u.a. verankert an Gedichten von May Ayim („Silberne Lachtränen“) oder musikalisierte Aphorismen aus Laotses „Tao-te-ching“ („Weich und biegsam“), offerierte dabei neben Jazz auch Verfahrensweisen der euro- päischen Neuen Musik des 20.Jahrhunderts. In „Snake Dance“ verarbeiteten die beiden Musiker ge- konnt Einflüsse arabischer, indischer und tibetanischer Volksmusiken; dies ist auch der Titel der zweiten, dieser Tage erschienenen CD Henriette Müllers, ebenfalls in Begleitung des Bassisten Simon Pauli, in einigen Titeln mit der Cellistin Marika Gejrot sowie Johannes Bockholt, Perkussion.
Sieht man es vom Standpunkt der Komponistin und Interpretin Henreitte Müller, Absolventin der Manhattan School of Music in New York, basiert das dargebotene Programm auf in Musik umgesetzte zeitnahe Gedichten und atmosphärisch fühlbaren Emotionen, die bewusst oder intuitiv den Tanz des Lebens zum Thema haben: Fröhlichkeit und Trauer lieben ebenso dicht beisammen wie Dissonanz oder Harmonie. In „Silberne Lachtränen“ wie auch in „Snake Dance“ wechseln sich impressionistische Klanglandschaften mit Glissandi und Mikrotönen ab mit Phasen weniger, aber tonnenschwerer Ton- folgen, manchmal nur einem einzigen Ton. Dabei stehen sich das Sopransaxophon Henriette Müllers ebenso nahe wie die Bassgitarre Simon Paulis, der Absolvent des Berklee College Of Music war und seit 1986 ebenso wie Henriette Müller als Komponist und Arrangeur in Berlin lebt und wirkt. Die hier gewählte bewusste Konzentration des musikalisch Dargebotenen lediglich auf zwei Instrumente, auf Sopransaxophon (Henriette Müller) und Bassgitarre (Simon Pauli), dient einer angestrebten hohen Klanglichkeit, bei der sogar die Akustik des Kirchenschiffs eine zusätzliche Farbe einbringt, da bei bestimmten Tönen sogar die Kirchenorgel mitzuschwingen scheint. In „Two shades of blue“ sind die musikalischen Werkzeuge ein urbaner Blues, Zwölftontechniken, modale Strukturen; neben rhythmi- scher Einfachheit kommt auch eine gewisse Komplexität zum Vorschein. Nicht nur hier, auch in der Zugabe, “Letting Go“ stecken Grundelemente des Jazz, elegant verknüpft mit europäischer Kunstmusik, rhythmische Spannung, die sich mit Farbigkeit und Klanglichkeit auflädt. „A little cuckoo“ kokettiert mit einer gewissen „Pink-Panther-Atmosphähre“. Diese Musik verdient viel Resonanz, sie lebt nicht vom Augenblick sondern schafft beeindruckende Spannung und Raum