Kleine Traumreise - Musikalische Erzählungen in der Bergkirche

dho. - Ein Saxophon und ein E-Bass reichen schon aus, um zwei Stunden "musikalische Lyrik, die zum Nachdenken und zum Genießen gleichermaßen einlädt" zu bieten. Denken Henriette Müller und ihr Bassist Simon Pauli. Dass sie damit Recht haben, bewiesen die beiden Musiker aus Berlin nun in der Wiesbadener Bergkirche. Zwischen Aufbruch und Meditation gelang es ihnen mühelos, ihr Publikum auf kleine Traumreisen mitzunehmen.

Zerrissene Klangfetzen in synchroner Eintracht servierten sie in den Stücken der gemeinsam einge- spielten CD "Silberne Lachtränen". In "The wheel" bekommt man schnell den programmatischen Hintergrund vermittelt. Es braucht immer mehrere Anläufe, um das Rad ins Rollen zu bekommen, doch jeder bringt eigene Fantasien mit. Sanft abgezogene Saxophon-Läufe, behutsam gesetzte Phrasierungen und angenehm einschmeichelnde Motivwiederholungen werden in kreativer Melange vereint.

Henriette Müller schreibt ihre Stücke selbst und man spürt deutlich den persönlichen Bezug zum ei- genen Werk. Auch in einer "Allegria ma non senza tristezza", bei der zum Einstieg langgestreckte, dabei sich ständig in sich wandelnde Töne fast im Stillstand serviert werden. Darunter düsteres Bassgrummeln. Kernige Riffs wecken den Zuhörer aus einer aufkommenden Lethargie und treiben voran, Henriette Müller legt darüber weich ineinander fließende Melodiefragmente. Die Saxophonistin legt in ihre Themenfindung viel direkte Ansprache hinein. Zwar verziert sie gerne, verliert sich schnell in langen komplexen Kadenzen, doch auch dann gilt jede Note ganz für sich selbst.

Alles zusammen löst einen stark kommunikativen, meist erzählenden Anspruch ein, der auch zwischen den beiden Musikern immer wieder im Vordergrund steht. Virtuosen sind sowohl Henriette Müller als auch Simon Pauli und schnell entsteht der Eindruck reibungslos funktionierender Gemeinschaft. Meistens winden sie sich elegant um einfache Melodieansätze, bringen ihre unterschiedlichen Cha- raktere ein und schaffen so ein originelles Werk, das einzigartig, aber mit vielen Wiedererkennungs- effekten versehen ist.

Der viel zitierte Spagat zwischen Jazz, Neuer Musik und klassischen Ursprüngen ist als solcher einfach schon deshalb nicht wahrnehmbar, weil sich die beiden darum offensichtlich kaum scheren. Sehr im- pulsiv, intuitiv ist das Ganze und braucht daher die Krücke der Vergleichbarkeit nicht. Wer ungetrübten Genuss ohne störende Belehrung suchte, war hier genau richtig.